170 Jahre hat es gedauert, bis aus einem kleinen Lagerkeller für Bierfässer mit Verkaufsstelle die Kulturbrauerei geworden ist. Inzwischen bedeckt das Bauensemble im Bezirk Prenzlauer Berg/Pankow, das bereits 1974 wegen seiner "einzigartigen Architektur" unter Denkmalschutz gestellt wird, mit seinen sechs Höfen und über 20 Gebäuden eine Fläche von 25.000 m².

Angefangen hat alles im Jahr 1842 in der Schönhauser Allee 39, genau dort, wo sich "die Kulte" noch immer befindet. Ein Apotheker aus Kreuzberg betreibt dort am Rande Berlins einen kleinen Bierausschank. Den übernimmt 1853 ein gewisser Jobst Schultheiss, muss ihn allerdings später aus gesundheitlichen Gründen wieder veräußern. Der Mann geht, der Name bleibt (...noch heute bestellen Berliner Biertrinker mit trockener Kehle ein "Schulle" - das lässt sich auch noch mit alkoholgeschwängerter Zunge intonieren...).

Durch Modernisierungen und Erweiterungen wächst der Kleinbetrieb zu einer industriell arbeitenden Großbrauerei heran. Ein Sudhaus wird 1871 errichtet, 10 Jahre danach kommt eine Kältemaschine dazu; sie stellt eine große Innovation dar und ist damals einmalig in der modernen Brautechnologie Deutschlands.

Damit die stark expandierte Brauerei ein geschlossenes Erscheinungsbild erhält, beauftragt man 1887 den Architekten Franz Heinrich Schwechten mit den Planungen für einen Aus- und Umbau; eine mittelalterliche Burganlage dient ihm als Vorbild. Später wird er dann etwa auch die "Gedächtniskirche" entwerfen....

Schwechten stattet die Brauerei auch mit einem prächtigen Bier-Ausschank aus, der schnell zu einem beliebten Berliner Ausflugsziel wird.

1891 gilt die Schultheiss-Brauerei mit 43 Niederlagen mit Eiskellern, 19 Ausschanklokalen, 65 Eisenbahnwaggons, 533 Wagen und 537 Pferden als größte Brauerei Deutschlands; 30 Jahre später, nach Fusion mit dem schärfsten Berliner Konkurrenten, ist die "Berliner-Kindl- Schultheiss-Brauerei GmbH" sogar die weltgrößte Lagerbierbrauerei.

In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts werden dann das alte Kessel- und Maschinenhaus abgerissen und durch ein dreigeschossiges Gebäude ersetzt - seitdem haben die beiden Veranstaltungsorte also ihre heutige Gestalt.

1937 wird das Unternehmen zum „Nationalsozialistischen Musterbetrieb“ erklärt, ein Jahr später als Wehrwirtschaftsbetrieb geführt. Während des WK II werden in der Brauerei Kriegsgefangene aus Polen, Frankreich und Italien für Hilfsarbeiten eingesetzt; ukrainische Zwangsarbeiterinnen stellen in den Tiefkellern für die Telefunken AG „kriegswichtige“ Geräte her. Zum Ende des Krieges verschanzt sich dort der Stab des Befehlsabschnitts H der „Festung Berlin“; zeitweilig befinden sich bis zu 1.000 Soldaten auf dem Areal; sogar noch nach der offiziellen Kapitulation verteidigen vereinzelte NSDAP-, SS- und Wehrmachtsangehörige das Gelände. Nach Einstellung der Kampfhandlungen räumt die Bevölkerung die Lebensmittellager der Brauerei aus - aus purer Existenznot. Die Brauerei und die Gebäude überstehen ansonsten größtenteils unbeschädigt den Weltkrieg.

Mit Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht vom 30. Oktober 1945 wird die Schultheiss-Brauerei beschlagnahmt, später dann umgewandelt in den volkseigenen Betrieb "VEB Schultheiss-Brauerei" Schönhauser Allee. Das endgültige Aus für den Brauereibetrieb kommt schließlich 1967. Die Brau-Anlage ist inzwischen verschlissen, die Bier-Produktion wird also eingestellt und die Maschinen demontiert. In die leerstehende Gebäude der Brauerei zieht die "SHG - Sozialistische Handelsgesellschaft Möbel" ein.

Nach der "Wende" im Jahr 1990 übernimmt die Treuhandanstalt das vom Verfall bedrohte Gelände, bevor dann 1991 zarte Triebe der künftigen "Kulturbrauerei" zu sprießen beginnen – Kulturaktivisten aus Ost und West gründen die „KulturBrauerei gGmbH“; ein TV-Sender saniert das Kesselhaus und produziert dort 2 Jahre lang eine wöchentliche Live-Sendung.

Die Treuhandanstalt übergibt die Verantwortung für die Sanierung des Areals an die "Treuhand Liegenschaften Gesellschaft" (TLG). Bei der zukünftigen Nutzung des Geländes sind die "spezifischen Belange der Denkmalpflege" zu berücksichtigen, schließlich stellt die ehemalige Brauerei "ein dominierendes Stück Industriearchitektur Deutschlands" dar.

So ist erklärter Anspruch der Sanierung, dass "das Bestehende nuanciert wird und zu größten Teilen erhalten bleibt". Nur beschädigte Fassadenteile werden ausgetauscht, für die Dach- und Trägerkonstruktionen werden originalgetreue Materialien verwendet und die traditionelle Dachbedeckung in Form von Biberschwanzziegeln und schwarzer Dachpappe beibehalten; die historische Hofpflasterung wird wieder hergestellt und, weil es "dem Sinn alter Industrieanlagen widerspricht", auf die Verwendung von üppiger Begrünung auf den Höfen verzichtet.

2002 übernimmt die Consense GmbH den Betrieb von Kessel- und Maschinenhaus und sorgt seitdem für die künstlerische und kreative Bewirtschaftung der populären Berliner Veranstaltungsorte in der Kulturbrauerei.
Text: Jochen Luef
Foto 1: Die Flaschenbierabfüllanlage
Foto 2: Das Maschinenhaus
Foto 3
Foto 4
Text aus
Kulturbrauerei, 2000
Kesselhaus, Maschinenhaus, 2000
Kesselhaus innen, 2000
Kesselhaus, Umbau im Jahr 2000
Kesselhaus * Maschinenhaus
Die ersten Veranstaltungen
Kesselhaus 2011